
Arne Reinbold, Presse FREIE WÄHLER Niedersachsen
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Über Jahre hinweg galt der Beruf des Handwerkers als erstrebenswert, was er im Grunde heute auch noch ist. Wie der Name schon sagt, schafft man etwas mit den Händen – oft nachhaltig, nicht selten auch für folgende Generationen sichtbar, worauf man zu Recht stolz sein kann. Auf der anderen Seite ist der Handwerker aber auch Umwelteinflüssen wie Wetter, Staub und Schmutz ausgesetzt. Zudem wird er, je nach Arbeitsaufkommen des jeweiligen Betriebs, mit nicht immer geregelten Arbeitszeiten konfrontiert. Neue Arbeitszeitmodelle sind besonders für kleinere Betriebe schwer umsetzbar.
Ein vielschichtiges gesellschaftliches Problem ist, dass dem potenziellen Nachwuchs im Elternhaus und in der Schule eher die Nachteile des Berufs vermittelt werden. Viele kennen die sinnbildliche Drohung eines Lehrers: „Wenn du in der Schule nicht besser aufpasst, landest du später auf dem Bau.“
Was macht man nun heute als Unternehmen, um dem Trend entgegenzuwirken und neue Mitarbeiter zu finden? Eine angemessene oder überproportionale Entlohnung ist heute schon lange kein Alleinstellungsmerkmal mehr bei der Mitarbeitergewinnung. Es geht heute um ein gesundes Betriebsklima, eine Betriebsführung mit hoher sozialer Kompetenz, diverse Zusatzleistungen im Rahmen der steuerlichen Freibeträge und darüber hinaus, Marken-Arbeitskleidung und eine betriebliche Ausstattung mit professionellem Gerät und Werkzeugen sowie eine flexible Arbeitszeitregelung im Rahmen des denkbar Möglichen. Zudem muss jeder Betrieb an seiner eigenen Nachwuchsförderung arbeiten.
Job-Recruiting-Agenturen sprießen derzeitig in diesem Segment wie Pilze aus dem Boden. Sie verleihen dem Betrieb auf Social Media ein ansprechendes Profil und sprechen potenzielle Bewerber auf diesem Weg gezielt an. Diese Leistung lassen sich die Agenturen fürstlich bezahlen. Bei Erfolg hat sich das Problem für den entsprechenden Betrieb vorerst gelöst. Das Problem des Fachkräftemangels löst sich dadurch jedoch nicht. Im Gegenteil, der Konkurrenzdruck unter den Betrieben diesbezüglich wächst.
Welche Möglichkeiten habe ich als kleiner Betrieb bei der Suche nach Fachkräften im Ausland? Die lokale Agentur für Arbeit hat in diesem Fachbereich in der Regel engagierte Ansprechpartner, deren Unterstützung sich aber darauf beschränkt, den Betrieben die nötigen Werkzeuge an die Hand zu geben. Zu diesen Werkzeugen gehören Online-Portale wie „Make it in Germany“, ein Portal der Bundesregierung für Fachkräfte aus dem Ausland, oder ein Jobportal wie European Employment Services, kurz EURES.
Wer nun meint, auf solchen Portalen ist die Schaltung einer Jobanzeige ausreichend und erfolgversprechend, der irrt gewaltig. Auch hier muss man aktiv selbst tätig werden, wenn man Qualität und den dazu passenden Bewerber sucht. Das heißt: Bewerberprofile studieren und passende Profile selbst anschreiben.
Ist der passende Bewerber gefunden, beschäftigt man sich mit der Anerkennung der ausländischen Qualifikation bei der IHK. Für die Integration des neuen Kollegen ist man ebenfalls selbst verantwortlich. Die geschaffenen „Welcome Center“ durch die Landesregierung, die hierbei unterstützen sollen, sind noch rar gesät und mit der Vielzahl von Anfragen heillos überfordert. Eine Infrastruktur für Fachkräfte aus dem Ausland gibt es nicht wirklich. Wer das nicht glaubt, soll einfach einmal versuchen, auf dem Land einen Deutschkurs für seinen neuen Mitarbeiter zu finden.
Die Fachkräftestrategie der Niedersächsischen Landesregierung für die Legislaturperiode 2022-2027 verfolgt einen umfassenden Ansatz zur Sicherung und Gewinnung von Fachkräften, basierend auf fünf zentralen Handlungsfeldern:
* Berufliche Ausbildung stärken
* Weiterbildung von Beschäftigten ausbauen
* Inländische Potenziale besser nutzen
* Zuwanderung und Willkommenskultur gestalten
* Arbeitsqualität und Beschäftigungsfähigkeit sichern
Diese Strategie wird durch verschiedene Förderprogramme und Ressorts projektbezogen finanziert. Ein zentrales Budget ist nicht vorgesehen.
Diese Strategie muss dringend überarbeitet werden, denn der Handwerksbetrieb um die Ecke spürt von dieser Strategie derzeit nichts.